Samen aus eigenem Anbau zu gewinnen macht Spaß, ist nachhaltig und führt dich ein Stück weit Richtung Unabhängigkeit. Zudem ist das Wissen um die Saatgutgewinnung eine gute Versicherung für unsichere Zeiten. In diesem Beitrag erfährst du, wie du eigenes Bio-Saatgut Schritt für Schritt auswählst und erntest: von den Grundlagen über die Saatguternte bei beliebten Gemüsesorten bis hin zu praktischen Tipps für die richtige Lagerung.

Die Grundlage:
samenfestes Saatgut
Gerade im Hausgarten bietet die Saatgutgewinnung viele Vorteile: Du lernst deine Pflanzen besser kennen, stärkst ihre Anpassung an deinen Standort und bewahrst und vermehrst deine Lieblingssorten.
Voraussetzung für deine erfolgreiche Samenernte ist das Ausgangssaatgut. Es muss samenfest sein. Hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich eine über Jahrtausende entwickelte, nachhaltige Form der Saatgutvermehrung. Sobald Menschen sesshaft wurden, vermehrten sie essbare Pflanzen, indem sie die Samen der schönsten, gesündestes oder schmackhaftesten Gräser und Gemüsearten nahmen und immer wieder anbauten. Über einen langen Zeitraum entstanden so zahlreiche, an ihren Standort ideal angepasste Sorten. Diese Sorten ähneln ihren Mutterpflanzen stark, sind aber genetisch nicht ident. Durch die lange Auslese kannst du dich darauf verlassen, dass beim Anbau von selbst geernteten Samen immer wieder dieselbe Sorte wächst. Ein weiterer Vorteil samenfester Samen: in Zeiten der Klimaveränderungen sind alte, lange angepasste Landsorten widerstandsfähig und stabil im Wachstum.
Anders verhält es sich mit Hybridsaatgut. Dieses erkennst du, da es am Samenpäckchen mit F1 gekennzeichnet sein muss. Zur Gewinnung von Hybridsamen werden zwei nach bestimmten Kriterien reinerbig gemachte Inzuchtlinien miteinander gekreuzt. Die Tochtergeneration (Filia 1 = F1) besteht aus nahezu identen Samen mit bestimmten erwünschten Eigenschaften. Baust du von diesen Pflanzen gewonnene Samen an, gehen diese Eigenschaften wieder verloren und es entstehen vollkommen neue Sorten mit oft schlechteren Eigenschaften in Geschmack oder Wuchskraft. Das ist durchaus gewünscht, damit du jährlich neue Samen kaufst.
Starte deine eigene Samenvermehrung also immer mit biologischen, samenfesten Sorten.
So klappt die Gewinnung deines Saatguts
„Die schlechtesten Plätze für die besten Samen“ sagt Sigfried Schreiber, Samen Maier Saatgutvermehrer aus Steinebrunn in Niederösterreich und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Denn während auf humosen, fruchtbaren Böden Gemüsepflanzen mit vielen Blättern, schönen Wurzeln und großen, opulenten Früchten wachsen, steckt die Pflanze auf kargen, trockenen Böden ihre gesamte Energie in die rasche Produktion von Samen. Dieses evolutionär bedingte Verhalten sichert auch in schwierigen Situationen das Weiterleben einer Art. Für dein Saatgutbeet brauchst du also keinen allzu großen Aufwand betreiben. Halte das Beet lediglich von Beikräutern frei und mulche gegen zu rasche Austrocknung des Bodens.
Anstelle eines ganzen Beets für die Samengewinnung genügt es auch, wenn du eine einzelne Pflanze aus deinem Gemüsegarten als Mutterpflanze auswählst. Such dir eine schöne, gesunde Pflanze aus, die frei von Schädlingsbefall oder Pilzerkrankungen ist.
Tipp: auch bei unter Stress stehenden Pflanzen, gibt es solche, die besser mit den kargen Umweltbedingungen zurechtkommen als andere. Wähle diese als Mutterpflanze aus, denn ihre Nachkommen werden widerstandsfähiger sein.
Viele Gemüsearten kennst du nur samenfrei, denn du erntest sie bereits vor der Blüte. Dazu gehören Gemüse wie Salat, Kohlrabi, Zwiebel, Lauch, Kraut, Brokkoli, Radieschen, Rettich, rote Rüben, Mangold und einige mehr. Manche dieser Gemüse bilden die Samen im ersten Jahr, andere sind zweijährig, brauchen also den Winter, um im Folgejahr Samen zu entwickeln. Es gibt auch Gemüse, das du erst nach Anlage der Samen pflückst, z.B. Erbsen, Bohnen, Tomaten oder Paprika. In den meisten Fällen erfolgt die Ernte vor Ausreifung der Samen, z.B. bei Erbsen oder Bohnen, die wir verzehren, bevor sie braun und hart werden.
Neben dem Wann bleibt noch die Frage des Wies. Während du z.B. Erbsensamen leicht aus den getrockneten Hülsen löst, wird es bei Tomatensamen schon komplizierter und kleine Lauchsamen neigen dazu, einfach zu Boden zu fallen, wenn du den reifen Samenstand abschneidest.Für die Samengewinnung brauchst du also ein wenig Gemüse Knowhow, um den richtigen Zeitpunkt zu erkennen und die passende Erntemethode zu wählen.
Samenernte nach Gemüseart
Salate
Zu den Salaten gehören neben dem klassischen Kopfsalat auch Pflücksalate, Romanasalat, Endiviensalat und Zichoriensalat. Asia-Salate gehören zur Familie der Kohlgewächse und werden dort beschrieben.
Vielleicht hast du schon mal einen Salat beim „Schießen“ beobachtet. Hier streckt sich der schöne, kompakte Salatkopf plötzlich und wächst zu einem Bäumchen heran – ein erster Schritt Richtung Samenbildung. Danach entstehen viele kleine, gelb leuchtende Blüten. Da der Salat selbstfruchtbar ist, erfolgt die Bestäubung meist noch in der geschlossenen Blüte – eine Kreuzung mit anderen Sorten ist selten.
Wird der Samen reif, werden aus den Salatblüten Pusteblumen – wie beim Löwenzahn. Die Samen sind nun braun verfärbt und fallen leicht aus den Blüten. Schneide die gesamte Pflanze ab und beutle die Samen kopfüber in einen Sack oder Kübel. Trenne sie vom Spreu und lass sie noch einige Tage nachtrocknen.
Kohlgewächse
Zu den Kohlgewächsen gehören Kohlrabi, Kohlsprossen, Wirsingkohl, Grünkohl, Karfiol, Weiß – und Rotkraut, Brokkoli und alle Asia-Salate.
Bis auf Asia-Salate sind alle Kohlgewächse zweijährig. Sie brauchen einen Kältereiz, um nach dem Winter Samen auszureifen. Gelegentlich kann es auch zur Notreife im ersten Jahr kommen, z.B. bei Kohlrabi oder Brokkoli. Notreife findet statt, wenn eine Pflanze massiv unter Stress gerät – also kaum Nährstoffe oder Wasser bekommt.
Im Frühling angebautes Asia-Gemüse ist einjährig, im Herbst gepflanztes zweijährig.
Kohlgemüse braucht zur Befruchtung Insekten, ist also auf die Bestäubung durch Pollen anderer Pflanzen angewiesen. Wenn du verschiedenen Sorten nebeneinander pflanzt, kann es zu Kreuzungen und damit auch ungewünschten Eigenschaften kommen. Für die Samengewinnung sollte also entweder nur eine Sorte oder ein großer Abstand zwischen den Sorten vorhanden sein. Sogar zwischen verschiedenen Kohlarten kann es zu Kreuzungen kommen.
Die Samen von Kohlgemüse wachsen in Schoten heran. Schneide diese ab, wenn sie braun und kurz vor dem Aufspringen sind. Lasse die Schoten in einem Gefäß trocknen, sie öffnen sich dann meist von alleine. Klopfe die Samen aus, sie sind klein und schwarz.
Achtung: Sogar zwischen verschiedenen Kohlarten kann es zu Kreuzungen kommen. Wenn du Spaß an Experimenten hast und dich auch über eine nicht gelungene Vermehrung freust, passt die Kohlsamen-Produktion zu dir.
Bohnen & Erbsen
Erbsen und Bohnen gehören zur Familie der Schmetterlingsblütler. Sie sind selbstfruchtbar, wobei besonders bei Bohnen auch in geringem Maße eine Bestäubung durch Insekten möglich ist. Erbsen und Bohnen reifen in Hülsen heran. Je nach Art erntest du entweder die Hülsen (Zuckererbsen, Fisolen) oder löst die Kerne aus (Markerbsen, Bohnen). Erbsen sind bei der Ernte immer grün, Auskernbohnen dürfen in der Hülse trocknen. Lasse zur Gewinnung von Saatgut die Hülsen vollkommen trocken und braun werden, schneide sie dann mit einer Schere ab und trockne sie im Haus nach. Meist platzen die Hülsen auf und du kannst die Samen auslösen.
Tomaten
Die Bestäubung der zwitterblütigen Tomaten erfolgt durch Vibrieren, meist durch Wind, manchmal auch durch Insekten. Tomaten sind selbstfruchtbar, zu einer ungewollten Kreuzung zwischen verschiedenen Sorten kommt es selten. Bei Tomaten reifen die Samen in den Früchten heran. Bei der Samenernte sind Wuchs und Gesundheit der ganzen Pflanze ausschlaggebend nicht der einzelnen Frucht. Ernte die Frucht erst, wenn sie vollkommen reif (sogar etwas überreif) ist. Schneide die Tomate auf, höhle das Innere mit einem Löffel aus und gib es in ein feines Sieb. Die Samen sind von einer gallertartigen Schicht umgeben, spüle diese mit lauwarmem Wasser gründlich ab – meist braucht es mehrere Spülgänge. Breite die kleinen, weiß-gelben Tomatensamen auf einer Küchenrolle zum Trocknen aus.
Paprika/Chili/Pfefferoni
Auch Paprika sind selbstfruchtbar, die Bestäubung erfolgt durch geringe Eigenbewegung bei Wind oder gelegentlich durch Insekten. Ernte zur Samenentnahme nur die vollreifen Früchte. Bei Paprika, Chili und Pfefferoni muss die Frucht ihre sortentypische Farbe angenommen haben, also z.B. rot, gelb oder orange.
Schneide die Früchte auf, entnimm die Samen aus dem Inneren und lasse sie 1-2 Wochen auf einem Stück Küchenrolle trocknen. Danach sind sie bereit für die Lagerung.
Karotten
Karotten sind zweijährig, d.h. sie entwickeln ihre Samen erst im 2 Jahr nach dem Anbau. Lasse die Wurzeln daher über den Winter in der Erde. Im Folgejahr streckt sich die Karottenpflanze und bildet an einem langen Stielen zahlreiche kleine, weiße Doldenblüten die zusammengefasst wie eine Riesenblüte wirken. Später entstehen die Samen. Schneide den Blütenstiel ab, sobald die ersten Samen dunkel werden und hänge sie kopfüber, z.B. über einem Tuch oder Sack auf. Die reifen Samen fallen nach und nach aus der Dolde. Karotten werden durch Insekten (z.B. Bienen, Fliegen) bestäubt. Kreuzungsgefahr besteht mit der wilden Möhre.
Lauch & Zwiebel
An den zweijährigen Pflanzen bilden sich nach dem Winter große, kugelförmige Blütenstände mit zahlreichen Einzelblüten. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten, Zwiebelgewächse sind Fremdbestäuber. Die Samen von Zwiebeln und Lauch reifen in grünen Kapseln heran, die mit der Zeit braun werden und schließlich aufspringen. Darin erkennst du schon die kleinen, kohlschwarzen Zwiebel- bzw. Lauchsamen. Schneide die Blüte mitsamt ihrem langen Stängel ab, sobald die ersten Samen herausfallen und hänge sie kopfüber auf. Lege zum Auffangen der herausfallenden Samen ein Tuch darunter. Zwischen verschiedenen Sorten kann es leicht zur gegenseitigen Bestäubung kommen. Wenn du Samen entnimmst, sollte nur eine Sorte in deinem Garten wachsen.
Kürbis & Zucchini
Überlass die Samengewinnung von Kürbisgewächsen (auch Gurken und Melonen) besser den Profis. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten und auch über weite Entfernungen kann es zu Kreuzungen kommen. Der Haken: der Bitterstoff Cucurbitacin kann sich anreichern und zu schweren Vergiftungen führen. In Deutschland gab es vor einigen Jahren sogar einen Todesfall aufgrund selbst gezüchteter Zucchini.
Lagerung der Samen für lange Haltbarkeit
Nach der Ernte der Samen geht es an die Lagerung. Beachte ein paar Grundsätze, damit dein Saatgut lange haltbar und keimfähig bleibt.
- Trockenheit: die Samen müssen gut getrocknet sein, sonst schimmeln sie.
Tipp: mische Reiskörner zu den Samen. Sie entziehen eine gegebenenfalls vorhanden Restfeuchte. Besonders gut für Bohnen oder Erbsen geeignet.
- Verpackung: verwende lichtundurchlässige Behältnisse, z.B. gefärbte Gläser, Metalldosen oder Papiertütchen. Die dunkle Lagerung ist notwendig, da Licht die Haltbarkeit reduziert.
- Temperaturen: ideal sind 5-10° C (z.B. im Keller, unbeheizter Raum).
- Beschriftung: vergiss nicht, deine Samen mit folgenden Infos zu beschriften: Gemüseart- und Sorte, Erntejahr und ev. Besonderheiten.
Neben einer guten Lagerung spielt für die Keimfähigkeit auch die Eigenheit der jeweiligen Gemüseart eine wichtige Rolle. Tomaten, Paprika, Kohlgemüse und Salate sind 3-5 Jahre keimfähig, Bohnen und Erbsen sogar 6 Jahre und mehr. Karotten und Zwiebelsamen verlieren hingegen bereits nach 1-2 Jahren ihre Keimfähigkeit.
Fazit: Die Gewinnung von Samen macht Spaß, ist billig und dein Backup zur Selbstversorgung. Greife für die Mutterpflanzen auf samenfestes, hochwertiges Bio-Saatgut zurück. Beginne mit einfachen Pflanzen wie Salat, Erbsen und Bohnen und wage dich Schritt für Schritt an anspruchsvolleres Gemüse.
































